Viele Protestanten aus bürgerlich-konservativem Milieu verband mit der neuen NS-Regierung die grundsätzliche Ablehnung der Republik. Sie erhofften von ihr im Frühjahr 1933 nicht nur die Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs zu vergangener Größe, sondern auch eine religiöse Erneuerung im Volk. Doch die nationale Aufbruchsstimmung wich bald einem verbitterten „Kirchenkampf“ zwischen der NS-treuen Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ und der Bekennenden Kirche, in dem sich die Pfarrer der Garnisonkirche eher neutral verhielten.
Am „Tag von Potsdam“ schritten die Teilnehmer der beiden Gottesdienste auf dem Weg zum Staatsakt in die Garnisonkirche unter einem großen Banner mit dem Spruch „Gott mit uns“ durch, welches über der Schlossstraße gespannt war. Dieses Motiv griff die Potsdamer Tageszeitung in ihrer Abendausgabe auf. Viele Protestanten und auch die evangelische Kirchenleitung hofften, die von der NSDAP geführte Regierung würde die verfassungsrechtliche Trennung von Kirche und Staat aufheben und die traditionell enge Verbindung von protestantischer Kirchlichkeit mit der preußischen Staatsidee wieder herstellen. Das Ziel der propagierten „nationalen Erhebung“ sahen viele Protestanten nicht nur in der Wiederaufrichtung eines starken Deutschen Reiches, sondern auch in der Unterstützung des Staates für die sittlich-religiöse Erneuerung der deutschen Nation. Die unterschiedlichen Vorstellungen vom Verhältnis von Kirche und Staat entwickelten sich jedoch bald zu einem ersthaften Konflikt.
Die im Sommer 1932 gegründete innerevangelische Kirchenpartei „Deutsche Christen“ strebte die Gleichschaltung der evangelischen Landeskirchen in einer einheitlichen Reichskirche und die Durchsetzung des „Führerprinzips“ an. Als „SA Jesu Christi“ kämpften sie für die „Germanisierung des Christentums“. Zu ihren Gründern und Wortführern gehörten unter anderem der Berliner Pfarrer Joachim Hossenfelder und der Oberkonsistorialrat und Pfarrer Dr. Martin Thom, der den Slogan „Christuskreuz und Hakenkreuz“ prägte. Beide sollten später in Potsdam aktiv werden: Hossenfelder war von 1939 bis 1945 Pfarrer an der Friedenskirche, Thom von 1934 bis 1945 Superintendent des Kirchenkreises Potsdam. Beide waren auch Mitglied der NSDAP.
Auslöser der Kirchenwahlen im Juli 1933 war der Streit um die Personalie des neuen Reichsbischofs gewesen. Um Klarheit über die politischen Kräfteverhältnisse innerhalb der evangelischen Kirche zu bringen, ordnete der NS-Staat im Zuge der Gründung der Deutschen Evangelischen Kirche zugleich Kirchenwahlen für 23. Juli 1933 in allen 28 Landeskirchen an. Den Kirchenparteien blieben nur neun Tage Zeit, für ihre Positionen öffentlich zu werden. Die von der NSDAP geförderte Organisation „Deutsche Christen“ trat unter anderem mit dem Motto an: „Baut die neue Kirche Christi im neuen Staat Adolf Hitlers“. Die Liste „Evangelium und Kirchen“ positionierte sich als Alternative mit dem Slogan „Kirche muss Kirche bleiben“. In der Potsdamer Tageszeitung warben beide unmittelbar nebeneinander um Stimmen.
Die Liste „Evangelium und Kirche“ trat für eine von der politischen Einflussnahme unabhängige Kirche ein. Mit diesem Flugblatt luden Sie zu einer öffentlichen Kundgebung ins Konzerthaus am 21. Juli ein. Am Tag darauf berichtete die Potsdamer Tageszeitung, dass der Hauptredner, Superintendent Werner Görnandt, die „Deutschen Christen“ als „politische Bewegung mit kirchlichen Vorzeichen“ bezeichnete. Er hatte zudem klargestellt: „Es ist für uns lutherischen Christen selbstverständlich, dass wir uns freudig und gehorsam zum nationalen Staat bekennen. Aber wir erwarten auch von diesem Staat, dass er wirklich christliche Obrigkeit ist und die Stimme des christlichen Gewissens achte.“
Mit umfangreicher Unterstützung der NSDAP gingen die „Deutschen Christen“ als klare Sieger aus dem ungleichen Wahlkampf hervor. Reichsweit erzielten sie eine Mehrheit von durchschnittlich etwa 70 Prozent. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten die Potsdamer Kirchengemeinden. Hier gab es, wie den Ergebnissen in den einzelnen Gemeinden zu entnehmen ist, insgesamt ein fast ausgeglichenes Kräfteverhältnis. Während „Evangelium und Kirche“ 6.568 Stimmen erhielt, waren die „Deutschen Christen“ mit 6.655 Stimmen nur knapp überlegen. In den Potsdamer Gemeindevertretungen herrschte – gesamt betrachtet – Gleichstand: Während die „Deutschen Christen“ in der Garnison-, Pfingst-, Nikolai- und Auferstehungsgemeinde jeweils eine geringfügige Mehrheit erzielen konnte, lag die Liste „Evangelium und Kirche“ in der Heiliggeist-, Erlöser- und Friedensgemeinde vorn. In Nowawes erzielten die „Deutschen Christen“ mehr als 60 Prozent.
In der Zivilgemeinde der Garnisonkirche hatten die „Deutschen Christen“ eine Mehrheit erzielen können, wie diese Namensliste der gewählten Ältesten und Gemeindeverordneten zeigt. Interessant ist, dass die kirchenpolitische Trennung nicht mit parteipolitischem Engagement korrelierte. Die meisten der Ältesten waren Mitglieder der in Potsdam bis Anfang der 1930er Jahre stark vertretenen DNVP. Steinsetzmeister Krüger, der für die Liste „Evangelium und Kirche“ kandidierte, gehörte der NSDAP an. Für viele Christen war die Mitgliedschaft in der NSDAP kein Wiederspruch zu ihrem Glauben.
Archive of the USC Shoah Foundation, http://sfi.usc.edu/, 17.03.1997
Nach dem Erfolg der „Deutschen Christen“ im Sommer 1933 verschärfte sich das Ringen um das Bekenntnis innerhalb der Kirche. Als Reaktion auf die Wahl Ludwig Müllers zum Reichsbischof und vor allem auf die Einführung des „Arierparagraphen“ gründeten evangelische Theologen um Martin Niemöller im September 1933 den Pfarrernotbund, aus dem im Frühjahr 1934 die „Bekennende Kirche“ hervorging. Wolfgang Schweitzer berichtet von seinem Vater Carl Gunther Schweitzer, was ihn und die anderen Gründungsmitglieder des Pfarrernotbundes zu diesem Schritt bewogen hatte. Die Pfarrer bekräftigten Jesus Christus als einzigen Glaubensgrund und wiesen den Totalitätsanspruch des Staates und die politische Vereinnahmung des Evangeliums zurück.
Im Herbst 1934 formierte sich in Potsdam die „Bekennende Kirche“, die im Juni 1935 mehr als 2.000 Mitglieder zählte. Zu ihren Zentren gehören die Pfingstgemeinde, die Friedens-Erlösergemeinde, die Heiliggeist-Kirche und die Friedrichskirche in Babelsberg. Der Babelsberger Pfarrer Viktor Hasse war Vorsitzender des Kreisbruderrates Potsdam. Um den Einfluss der „Bekennenden Kirche“ zurückzudrängen, berief die Kirchenleitung zwischen 1934 und 1939 acht deutsch-christliche Pfarrer nach Potsdam. Mehr und Mehr verweigerten diese den Mitgliedern der „Bekennenden Kirche“ den Zugang zu den Kirchen.
Nach dem Ausscheiden von Johannes Grunwaldt 1934 blieb die Zivilpfarrstelle an der Garnisonkirche bis in den Zweiten Weltkrieg hinein unbesetzt. Die kirchlichen Aufgaben wurden von den Heeres- und Standortpfarrern mit übernommen. Mit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 richtete der Feldbischof in Potsdam im gleichen Jahr zwei weitere Militärpfarrstellen ein. Denn die Anzahl der in Potsdam stationierten Soldaten stieg von 2.000 im Jahr 1931 auf 15.000 im Jahr 1939. Als Angestellte des Staates war es den Militärpfarrern aber untersagt, sich im Kirchenkampf zwischen „Bekennender Kirche“ und „Deutschen Christen“ zu positionieren. In diesem Schreiben wird deutlich, dass die Militärpfarrer in der Garnisonkirche zu keinen Veranstaltungen einladen wollten oder konnten, in denen „die kirchenpolitische Zerspaltung zum Ausdruck kommt.“
Die Versuche der NS-Führung, mit dem 1935 gegründeten staatlichen Kirchenministerium eine einheitliche Reichskirche durchzusetzen, ging der NS-Staat im Zuge seiner Kriegsvorbereitungen ab 1937 verschärft gegen die „Bekennende Kirche“ vor. In Namen des Evangelischen Feldbischofs bestärkte dieses Rundschreiben die Haltung der Standortpfarrer der Garnisonkirche im Kirchenkampf. Es verbot die Versendung von Schriften des Kirchenstreites und ergänzt: „Die Fernhaltung vom kirchenpolitischen Kampf wird nachdrücklich von mir gefordert.“ Der Einfluss der NS-nahen „Deutschen Christen“ blieb in den 1930er Jahren in der Garnisonkirche sehr begrenzt. Sie war aber auch kein Zentrum der „Bekennenden Kirche“.
Die beiden 1937 an die Garnisonkirche berufenen Standortpfarrer Johannes Doehring und Rudolf Damrath standen jedoch eher der Bekennenden Kirche nahe, auch wenn sie als Standortpfarrer sich nicht offiziell im Kirchenkampf positionieren durften. In diesem Schreiben, welches die Konflikte anschaulich wiedergibt, beschwerte sich Superintendent Thom beim Reichskirchenministerium, dass beide die deutsch-christlichen Ansinnen wenig unterstützen. Besonders Damrath unterstellte Thom eine „stark bekenntnismäßige Einstellung“, mit der er vor allem außerhalb der Militärgemeinde wirke.
In Potsdam gab es 1933 nur einen deutsch-christlichen Pfarrer, sieben Jahre später allerdings nur noch einen Bekenntnispfarrer. Die „Deutschen Christen“ verweigerten zunehmend Kirchen und Kanzeln für die Bekennenden Gemeinden. Der Kanzel- und Raumboykott spitzte sich mit Kriegsbeginn weiter zu, wie die drei Bruderratsmitglieder in diesem Schreiben an den Oberkirchenrat klagten. Interessant ist, dass die Zivilgemeinde der Garnisonkirche in diesem und auch in ähnlichen Schreiben keine Erwähnung findet, vielleicht ein Indiz für deren offiziell eher neutrale Haltung im Kirchenkampf. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs ist aber häufiger zu lesen, dass nur noch die Garnisonkirche mit Pfarrer Damrath für die Bekenntnischristen gelegentlich als Versammlungsort zur Verfügung stand.
Stiftung Garnisonkirche Potsdam | www.havel-film.de, 2013
Ursula Weyrauch erinnert sich an ihren Großvater, der als pensionierter Pastor in Potsdam lebte. Sie schildert Eindrücke vom Gemeindeleben an der Garnisonkirche, in der ihr Großvater Wilhelm Stockmann als pensionierter Pfarrer gelegentlich predigte, und den Treffen der Mitglieder der Bekennenden Kirche während des Zweiten Weltkriegs.