Einführung

In den 1930er Jahren entwickelte sich die Garnisonkirche zu einem regelrechten Besuchermagnet. Unter dem NSDAP-Oberbürgermeister Hans Friedrichs konzentrierten sich die Tourismus-Kampagnen der Stadt ganz auf den symbolträchtigen Ort des „Tags von Potsdam“, um mehr Gäste in die Potsdamer Innenstadt zu locken. Mit Erfolg, der Verkehrsverein Potsdam und auch die Garnisonkirche verzeichneten bis Kriegsbeginn 1939 jährlich steigende Besucherzahlen. Die kostenpflichtige Besichtigung von Kirche und Gruft erbrachte lukrative Einnahmen.

Eingangsschild für Ticketverkauf

Noch Mitte der 1920er Jahre streiften viele Potsdam-Touristen die Innenstadt, um direkt zu Park und Schloss Sanssouci zu fahren. 1926 strömten 183.000 Interessierte zum bekannten Schloss, während die Garnisonkirche nur etwa 50.000 Besucher zählte. Das änderte sich Anfang der 1930er Jahre. Die Besucherzahl hatte sich von 1933 bis 1939 mehr als verdoppelt. Zeitweise verkaufte der Küster mehr als 400.000 Eintrittskarten jährlich, was über 1.100 Besucher pro Tag bedeutete. In manchen Jahren überstieg die Zahl der wöchentlichen Kirchenbesichtigungen mehr als das Zehnfache der sonntäglichen Gottesdienstbesucher der Kirche.

Bierkrug zum „Tag von Potsdam“

Die Botschaft des „Tags von Potsdam“ als symbolische Verbindung des alten Preußen mit der jungen NS-Bewegung fand in den nachfolgenden Jahren vielfältige Verwendung, beispielsweise als Schmuck dieses Bierkrugs mit Zinndeckel. Das Relief zeigt das Leipziger Völkerschlachtdenkmal als Ort des Sieges Preußens über Napoleon, das NS-Hakenkreuz sowie die Potsdamer Garnisonkirche, verbunden mit dem bereits bekannten Spruchband „Nimmer wird das Reich zerstöret – wenn ihr einig seid und treu“.

Postkarte mit Briefmarkensatz „Alter Fritz“ und Gedenkmünze zum „Tag von Potsdam“

In Erinnerung an den „Tag von Potsdam“ druckten Verlage Postkarten mit verschiedensten Motiven, häufig allerdings mit der weithin bekannten Garnisonkirche. Die Reichspost widmete die erste unter dem NS-Regime am 12. April 1933 herausgegebene Briefmarke ebenfalls diesem Ereignis, indem sie auf den Marken zu 6, 12 und 25 Pfennig das Konterfei des Alten Fritz abbildete. Zum ersten Jahrestag des Ereignisses 1934 ließ das Finanzministerium Silber-Gedenkmünzen zu zwei und fünf Reichsmark mit dem Motiv der Potsdamer Garnisonkirche und dem Datum „21. März 1933“ prägen. Eine weitere Silbermünze zu 5 Reichsmark, die 1934 und 1935 ohne Datumsangabe für den allgemeinen Umlauf geprägt wurde, bereitete seinerzeit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) große Sorgen: Gegner der NS-Politik benutzten den freien Platz links und rechts vom Kirchturm dazu, um regimekritische Worte und Sprüche einzuritzen.

Potsdam – Die Geburtsstätte des Dritten Reiches

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 in Berlin konzentrierten sich schließlich die touristischen Kampagnen der Stadt Potsdam ganz auf den hohen Bekanntheitsgrad der Garnisonkirche und des „Tages von Potsdam“. Der Fremdenverkehrsverein lockte mit dem überzogenen Slogan „Die Geburtsstätte des Dritten Reiches“ täglich tausende Ausflügler von Berlin in die ehemalige Residenzstadt. Als Werbemotive eigneten sich die Aufnahmen des bekannten Potsdamer Fotografen Max Baur, die in zahlreichen Broschüren wie diesem 6-teiligen Faltprospekt Verwendung fanden. Allen voran die Garnisonkirche zierte als markantestes Gebäude der Stadt häufig die Titelseiten.

Shell Stadtkarte Nr. 64 Potsdam

Die kostenlosen Shell-Stadtkarten waren für Autofahrer sehr praktisch. Neben einem übersichtlichen Stadtplan, in dem auch die Tankstellen eingezeichnet waren, wurde die Stadt touristisch in Wort und Bild vorgestellt. Sie gab es an allen Shell-Tankstellen in der jeweiligen Region. Für die Potsdam-Ausgabe fand auch hier die weithin bekannte Garnisonkirche auf dem Titelblatt Verwendung.

Eintrittskarte für die Garnisonkirche

Seit 1899 kostete die Besichtigung der Garnisonkirche mitsamt Königsgruft 25 Pfennig Eintritt. Die Summe wurde vor 1918 zwischen den beiden Hofpredigern, die es für Wohlfahrtszwecke verwendeten, und dem Küster als Aufwandsentschädigung gedrittelt. In der Weimarer Republik steigerten sich mit zunehmender Besucherzahl die Einnahmen, so dass Ende der 1920er Jahre ein Streit über die Eintrittsgelder entbrannte. Der Staat Preußen als Eigentümer reklamierte diese für sich, während die Zivilgemeinde argumentierte, dass das Offenhalten der Kirche und damit die Einnahmen im Nutzungsrecht verankert seien. Erst 1935 einigten sich beide darauf, die Einnahmen nach Abzug aller Verwaltungskosten zwischen Preußischem Staat, Militärgemeinde und Zivilgemeinde zu dritteln. Und das lohnte sich. Im Jahr 1937/38 kauften mehr als 450.000 Besucher ein Ticket und bescherten Einnahmen von fast 100.000 Reichsmark, von denen nach Abzug der Kosten etwa die Hälfte gedrittelt wurde. Für die Zivilgemeinde waren diese Gelder häufig der größte Einnahmeposten, der sogar die Kirchensteuern überstieg.

Besucherandrang vor der Königsgruft

Eine Ehren-Abordnung deutscher Arbeiter besichtigte in Potsdam die Königsgruft in der Garnisonkirche. Bei über 1.000 Besuchern pro Tag waren solche Schlangen vor der Grablege der Preußenkönige an der Tagesordnung.

Autobahnarbeiter besichtigen Potsdam

Anlässlich des 3.000 fertiggestellten Autobahnkilometers besuchten 2.000 am Autobahnbau beteiligte Arbeiter die Garnisonkirche in Potsdam. Der Gauleiter Emil Stürtz hielt die Rede. Im März 1938 veranstaltete die Deutsche Arbeitsfront eine Feierstunde anlässlich des sogenannten Anschlusses Österreichs, zu der mehr als 2.000 Wiener Arbeiter nach Potsdam in die Garnisonkirche eingeladen waren. Eine Ansprache hielt unter anderem Oberbürgermeister Hans Friedrichs.

Käse’s Rundfahrten Berlin und Potsdam

Die Stadt Potsdam gehörte seit jeher auch zu den Zielen verschiedenster Anbieter von Stadtrundfahrten in Berlin. Als das Unternehmen „Käse’s Rundfahrten“ Ende 1933 darum bat, die Besichtigung der Garnisonkirche in ihr Programm aufnehmen zu dürfen, regte sich Widerstand beim Regierungspräsident und der Zivilgemeinde, da in der Kirche keine Führungen abgehalten werden sollten. Das Unternehmen sicherte darauf hin zu, die notwendigen Informationen zur Kirche vor dem Eintritt zu vermitteln. 

Besuch der ungarischen Regierungsspitze um Reichsverweser Miklós Horthy

Die Garnisonkirche entwickelte sich in der NS-Zeit nicht nur zur Pilgerstätte vieler Touristen, auch prominente Gäste aus dem In- und Ausland wurden immer wieder durch das symbolträchtige Gebäude geführt. Zu den bekanntesten gehörten zweifelsohne der italienische „Duce“ Benito Mussolini am 28. September 1937 oder die ungarische Delegation mit Reichsverweser Miklós Horthy, Ministerpräsident Béla Imrédy und Außenminister Kálmán Kánya. Auch für spanische und japanische Staatsgäste stand die Garnisonkirche regelmäßig auf der Liste der zu besichtigenden Orte. Meist sollte der Ausflug nach Potsdam als ein besonderes politisches Zeichen die engen Beziehungen zu den verbündeten Staaten bekräftigen.

Rudolf Hess an der Königsgruft der Garnisonkirche

Auch NS-Politiker ließen sich gern in der Garnisonkirche ablichten, wie hier Rudolf Hess während einer Feierstunde anlässlich des 150. Todestages von Friedrich II. Der monarchisch-konservative Charakter der ehemaligen Residenzstadt machte Potsdam aber eher zu einer ambivalenten Bühne für propagandistische Inszenierungen des NS-Regimes, die in anderen Städten wirkungsvoller zur Entfaltung kamen. Dennoch wurde Potsdam in den folgenden Jahren mit mehreren nationalsozialistischen Institutionen bedacht, wie der Reichsführerschule der Hitler-Jugend in der Berliner Straße und die Reichsführerinnenschule des Bundes Deutscher Mädel (BDM). Anlässlich deren Eröffnung am 27. April 1934 stellte Reichsjugendführer von Schirach klar, was er unter Preußentum verstand und welche Haltung er von der Jugend erwartete: „denn für uns ist Preußentum der Opfergang des Ichs zur selbstlosen Kameradschaft.“